Zwei Veranstaltungen des Zentrums für Gegenwartsliteratur München

am 8. und 21. Mai 2025

Am Schnittpunkt, Monacensia im Hildebrandhaus, 8. Mai 2025, 18 Uhr

Im Juli 2024 nahm das neugegründete Zentrum für Gegenwartsliteratur München seine Arbeit auf und präsentierte sich an einem Abend in der Monacensia erstmals der Öffentlichkeit. Gut ein Jahr später sollen im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit anschließender Lesung an demselben Ort ein Zwischenfazit gezogen und Perspektiven für die Zukunft eröffnet werden.

Der Titel „Am Schnittpunkt“ markiert, dass das Zentrum den Dialog sucht zwischen der Universität, den literarischen Institutionen, der Öffentlichkeit und nicht zuletzt den Schreibenden der Stadt.

Auf dem Podium treffen sich Anke Buettner (Monacensia), Florian Kessler (Carl Hanser Verlag) und Marie Schmidt (Süddeutsche Zeitung); moderiert wird das Gespräch von Zentrumsmitglied Erika Thomalla (Buchwissenschaft, LMU München).

Eine anschließende Lesung von Jonas Lüscher aus seinem neuen Roman Verzauberte Vorbestimmung wird eingeleitet von Rebecca Faber (Monacensia) und moderiert von Frieder von Ammon (Germanistik, LMU München).

andererseits. Literatur trifft Wissenschaft – Zur Aktualität der Popliteratur, LMU München (Hörsaal M118), 21. Mai 2025, 19 Uhr

Der dritte Abend der Reihe „andererseits“ steht ganz im Zeichen des Pop: Der Journalist und Schriftsteller Eckhart Nickel gehörte unter anderem als Autor für „Tempo“, „Jetzt“ und „SZ am Wochenende“ sowie als Mitglied des „popkulturellen Quintetts“ zu den zentralen Protagonisten der deutschsprachigen Popliteratur der 1990er Jahre. Wie sein jüngster Roman „Punk“ aus dem vergangenen Jahr zeigt, ist Pop auch weiterhin von zentraler Bedeutung für ihn – allerdings hat sich in der nahen Zukunft, in der sein Roman spielt, der kulturelle Bezugsrahmen verändert. So stellt sich die Frage, was Pop aktuell noch bedeuten kann und welche Kontinuitäten zwischen der Popliteratur der 1990er Jahre und der Gegenwart bestehen.

Mit:

Eckhart Nickel, Autor und Journalist

Prof. Dr. Erika Thomalla, Buchwissenschaftlerin an der LMU München mit Forschungsschwerpunkt Geschichte der Popliteratur und Popjournalismus

Moderation: Prof. Dr. Frieder von Ammon, Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Literatur des 20. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne an der LMU München

Zwei neu erschienene Sammelbände

Das Europäische Archiv der Stimmen. Oral History im interdisziplinären Diskurs [zus. mit Max Stange und Simon Unger], Würzburg: Königshausen & Neumann 2025.

Der ideengeschichtlich ausgerichtete Sammelband setzt sich zum Ziel, die Arbeit des Vereins Arbeit an Europa erstmals wissenschaftlich zu sichten, historisch einzuordnen und medial zu deuten. Er will das bisher Erreichte ergänzen, an dieses anschließen und eine im umfassenden Sinne akademische Aufarbeitung leisten. Das Europäische Archiv der Stimmen wird zum Ausgangspunkt genommen und im Kontext von Europa-Diskursen verortet.

Die Beiträge geben eine grundlegende Übersicht über die Themen und inhaltlichen Schwerpunkte der für das Europäische Archiv der Stimmen geführten Interviews und eröffnen eine Diskussion über deren wissenschaftliche Verwendung als historische Quellen. Insbesondere geht es hier um eine Einbettung des Projektes von Arbeit an Europa in eine Mediengeschichte von Europa-Diskursen in Verbindung mit der dadurch entstehenden Möglichkeit, die Ergebnisse des Vereins kulturhistorisch zu lesen, auf intertextuelle Vorgängerprojekte hinzuweisen und schließlich auch den Geisteswissenschaften die mögliche Fruchtbarkeit und historische Traditionslinie von Arbeit an Europa aufzuzeigen.


Traditionen des Pathos? W.G. Sebald und die Literatur der Gegenwart [zus. mit Claudia Öhlschläger, Michael Niehaus und Karine Winkelvoss], Würzburg: Königshausen & Neumann 2025 [= Schriftenreihe der Deutschen Sebald Gesellschaft, Bd. 3].

W. G. Sebald und sein literarisches Erbe mit der Kategorie des Pathos in Verbindung zu bringen, hat auf den ersten Blick etwas Paradoxes. Sebald selbst hat in seinen kritischen Schriften und Gesprächen stets eine »unpathetische Diktion«, eine »leidenschaftslose Art der Rede«, eine Neutralität des Tons gefordert. Sein »ethisch-ästhetisches« Stilideal orientiert sich eher an der literarischen Tradition der Flaubertschen impassibilité und an sachlich-dokumentarischen Formen.

Zugleich aber steht Pathos als zu vermittelndes Unglück und Leid im Zentrum von Sebalds Werk. Sein antipathetisches Stilideal geht selbst auf verschiedene Traditionen des Pathos zurück und seine Prosa entwickelt ganz eigene Pathosformen und -formeln.

Der Sammelband möchte diesen Verfahrensweisen nachspüren und nach der ästhetischen, aber auch kulturkritischen sowie kulturpolitischen Funktion des Pathos in der internationalen zeitgenössischen Literatur fragen: Wie wird hier Empathie reguliert und reflektiert? Gibt es eine Poetik, Ästhetik, aber auch Medialität des Pathos? Gibt es spezifische, tradierte Erzählweisen des Pathos?

Lena Schätte: Das Schwarz an den Händen meines Vaters

Lesung im Tukan-Kreis in der Seidlvilla München am 18. März 2025

„Die Wucht des sich behutsam entfaltenden Texts trifft unmittelbar“, urteilte die Jury des W.-G.-Sebald-Literaturpreises, mit dem Lena Schätte 2024 für einen Ausschnitt aus ihrem nun erscheinenden Roman ausgezeichnet wurde. Der Text entwerfe „so sachlich wie zärtlich auf wenigen Seiten das Beziehungsgeflecht einer Familie im Schatten der Alkoholsucht, die sich in jeder Generation auf unterschiedliche Weise Bahn bricht. In der präzisen Beschreibung der Komplexität von Suchtverhalten und der Reaktionen darauf verschränken sich gesellschaftliche und emotionale Dimensionen, eindeutige Täter- und Opferzuschreibungen lösen sich auf.“

Im Mittelpunkt des Romans steht „Motte“, wie die Ich-Erzählerin von ihrem Vater genannt wird. Wobei sie eigentlich zwei Väter hat: den einen, der schnell rennen kann und sich auf alle Fragen eine Antwort ausdenkt. Und den anderen, der von der Werkshalle ins Büro versetzt wird, damit er sich nicht volltrunken die Hand absägt. Und das mit dem Alkohol, sagt die Mutter, war eigentlich bei allen Männern in der Familie so. Auch Motte trinkt längst mehr, als ihr gut tut. Ihr Freund stützt sie, aber kann meistens selbst nicht mehr richtig stehen. Nur ihr Bruder schaut jeden Tag nach ihr. Als bei ihrem Vater Krebs im Endstadium diagnostiziert wird, sucht Motte nach einem Weg, sich zu verabschieden – vom Vater und vom Alkohol.

Lena Schätte, geboren 1993 in Lüdenscheid, debütierte 2014 mit dem Roman „Ruhrpottliebe“. In den Folgejahren arbeitete sie als Psychiatriekrankenschwester im Ruhrgebiet, bis sie 2020 ein Studium des Literarischen Schreibens am Deutschen Literaturinstitut Leipzig aufnahm. Heute betreut sie suchtkranke Menschen in Lüdenscheid – und schreibt. Der Roman Das Schwarz an den Händen meines Vaters erscheint im März bei S. Fischer.

Moderation: Kay Wolfinger

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Deutschen Sebald Gesellschaft.

Zur Anmeldung für die Veranstaltung, die am 18. März 2025, 19:30 Uhr, in der Münchner Seidlvilla stattfindet siehe: tukan-kreis.de.

Dana von Suffrin: Nochmal von vorne

literatur | saloon am Institut für Deutsche Philologie der LMU München am 5. Dezember 2024

Lesung und Gespräch im  literatur | saloon mit Dana von Suffrin und ihrem neuen Roman Nochmal von vorne.

Ort: Geschwister-Scholl-Platz 1, Raum A 125

Zeit: Donnerstag, 5. Dezember 2024, 18 Uhr s.t.

Die Veranstaltung ist für alle interessierten Studierenden und Kolleg:innen offen. Eine Voranmeldung ist nicht notwendig.

Kontakt: saloon@germanistik.uni-muenchen.de

»W.G. Sebalds Walser«

Gemeinsame Tagung der Deutschen Sebald Gesellschaft
und der Robert Walser-Gesellschaft, 11.-13. Oktober 2024 in München

Im Rahmen einer gemeinsamen Tagung widmen sich die Robert Walser-Gesellschaft und die Deutsche Sebald Gesellschaft den Berührungspunkten und Differenzen der beiden Autoren.

Freitag, 11. Oktober 2024

19.00 Uhr: Eröffnungsveranstaltung: „Alle lieben Walser. – Lieben alle Sebald?“ in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (Eintritt frei)

Podiumsdiskussion mit Preisträgern: Thilo Krause (Robert Walser-Preis 2020), Kirsten Fuchs (W.-G.-Sebald-Literaturpreis 2022); Moderation: Hans Pleschinski (Abteilung Literatur der Bayerischen Akademie der Schönen Künste)

Samstag, 12. Oktober 2024

Gemeinsamer Workshop im Philologicum der LMU München (Eintritt frei)

14.30–15.00 Uhr: Claudia Albes (Leuphana Lüneburg): Robert Walser / W.G. Sebald. Dichterporträts

15.00–15.30 Uhr: Lucia Ruprecht (FU Berlin): Walser – Sebald – gestisch

16.00–16.30 Uhr: Anne Fuchs (University College Dublin): ‚Leblose Substanzen‘ und
‚Miniaturkraftwerk‘: Überlegungen zur Poetik der Dinge bei Walser und Sebald

16.30–17.00 Uhr: Bernd Stiegler (Universität Konstanz): Komplexe Wahlverwandtschaften. W.G. Sebald und Robert Walser

Abendveranstaltung

19:00 Uhr: Robert Walser, W. G. Sebald und die Folgen … – Lesung und Literaturgespräch mit Clemens J. Setz, moderiert von Kay Wolfinger (LMU München)

Sonntag, 13. Oktober 2024

10.30 Uhr: „Die Luft einer neuen Zeit“ – Literarische Stadtführung durch Schwabing mit Laura Mokrohs (Valentin Karlstadt Musäum)

Für eine Teilnahme wird um vorherige Anmeldung gebeten unter:
kontakt@sebald-gesellschaft.de

Literatur & Kritik

literatur | saloon am Institut für Deutsche Philologie der LMU München am 11. Juli 2024

Das Verhältnis von Literatur und Kritik, wie wir es im VI. literatur | saloon thematisieren wollen, gewinnt gerade in einer Gesellschaft an Relevanz, die gleich an mehreren – politischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen – Fronten mit Erosionserscheinungen zu kämpfen hat. Bisher übernahm in solchen Krisenzeiten insbesondere die Literatur die Funktion einer kritischen Auseinandersetzung mit den strukturellen Verhältnissen, Hegemonien und Verwerfungslinien der Gegenwart. Dabei reflektierte sie immer auch ihre eigene Rolle: Wie garantiert Literatur ihre ‚Autonomie‘, wie muss sie sich formal organisieren, um beobachtungsfähig und damit auch kritikfähig zu bleiben?

Unter den Bedingungen der postdigitalen Gegenwart scheint es jedoch oft, als habe die literarische Kritik ihr poetisches Potential zugunsten eines identifikatorischen Lesens, das den Leser:innen auf formaler Ebene wenig Brüche und Innovationen zumutet, eingebüßt. Auch die Literaturkritik tut sich schwer, ein Unbehagen am Funktionsverlust adäquat zu artikulieren. Kritik wird zunehmend zu Hyperkritik, die auf einem Marktplatz der Meinungen zu bestehen hat. Vieles deutet darauf hin, dass es sowohl der literarischen als auch der Literatur-Kritik an Selbstkritik mangelt, um „wahre Kritik“ (Michel Foucault) zu betreiben.

In unserem sechsten literatur | saloon wollen wir gemeinsam mit Autor:innen und Leser:innen, Literaturschaffenden und -wissenschaftler:innen diskutieren, ob und in welchem Umfang diese Diagnose der Kritikunfähigkeit zutrifft und wie wir wieder ‚kritikfähig‘ werden können.

Programm am Donnerstag, 11. Juli 2024

14.15 Uhr: Einführung von Rabea Conrad

14.30–15.30 Uhr: Artensterben der Kritik im Feuilleton. Impulsvorträge und Diskussion mit Cornelia Zetzsche und Victor Sattler, moderiert von Laura Schütz und Kay Wolfinger

16.00–17.00 Uhr: Kritisch lesen. Lesung und Gespräch mit Fabienne Imlinger, moderiert von Lena Siebels

17.30­–18.30 Uhr: Preise der Kritik. Gespräch mit Dana Vowinckel und Hans Balmes, moderiert von Marilisa Reisert

19.00 Uhr: Institutskolloquium: Literatur als poetische Kritik. Lesung und Gespräch mit Jakob Nolte, moderiert von Tanja Prokić und Alina Tempelhoff

Philologicum der LMU München, Ludwigstraße 25, Veranstaltungsraum
Kontakt: saloon@germanistik.uni-muenchen.de

Münchner Poetikvorlesung 2024

mit Slata Roschal, 15., 23. und 29. Mai in München

Im Jahr 2024 kehrt das altehrwürdige Format der Poetikvorlesung zurück an das Institut für Deutsche Philologie der LMU München. Schon in den 1980er und 1990er Jahren wurden immer wieder Autorinnen und Autoren an die Universität eingeladen, um über ihr Schreiben, ihre Bücher und ihre Poetik zu sprechen. Zuletzt gab es 2007 eine einmalige Neuauflage einer solchen Poetikvorlesung.

Um die Forschung zur Gegenwartsliteratur am Verlags- und Buchstandort München weiter voranzutreiben und das literarische Leben in Forschung und Lehre besser zu vermitteln, steht die Poetikvorlesung des Jahres 2024 unter dem Vorzeichen „Werkstatt und Maschinenraum“. Sie gibt Einblicke in die Entstehung von Manuskripten und in die Schwierigkeiten, die beim Verbreiten von literarischen Texten und Büchern begegnen.

Hierfür konnte die Schriftstellerin Slata Roschal (www.slataroschal.de) gewonnen werden, die, 1992 geboren, mit zwei Lyrikbänden und zwei Romanen zu einer etablierten Größe der deutschsprachigen Literatur geworden ist. Slata Roschal wird in drei Vorlesungen über die Bedeutung des Literaturbetriebs für ihre Arbeit sprechen, über Geld, Macht und Konkurrenz, über das kollaborative Entstehen von Büchern und über die besondere Herausforderung, sich dem Literaturmarkt zu stellen, wenn man Familie und Kinder hat.

Die letzte der drei Vorlesungen wird dabei in Kooperation mit der von Slata Roschal eingeladenen Autorin Katharina Bendixen (www.other-writers.de) stattfinden. Alle Veranstaltungen sind öffentlich, werden von Studierenden begleitet und in einem Blog reflektiert. Wir freuen uns auf das Interesse – auf dass die Münchner Poetikvorlesung „Werkstatt und Maschinenraum“ zu einer festen Größe im universitären Leben und in der literarischen Öffentlichkeit Münchens wird!

Die Poetikvorlesungen von Slata Roschal finden jeweils um 18 Uhr c.t. im Veranstaltungsraum des Philologicums statt, und zwar am:

Mittwoch, 15. Mai 2024: „Geld, Macht & Konkurrenz“

Donnerstag, 23. Mai 2024: „Das kollaborative Buch“

Mittwoch, 29. Mai 2024: „Elternschaft & Autorschaft“

Die Autorin steht für Presseanfragen zur Verfügung.

Verantwortlich: Dr. Kay Wolfinger, LMU München: kay.wolfinger@germanistik.uni-muenchen.de

Selbstverständlich fühlt sich fast jeder überlegen

Ein Gespräch mit Ulrich Holbein

Wie geht es Ihnen momentan und wo stehen Sie, wenn Sie auf die Entwicklung Ihres Werkes blicken?

Blendend – ganz prachtvoll … leidlich – einigermaßen schloto – das ist Tschechisch und heißt: geht so – bin nicht im Burn-out versunken; allenfalls setzt eine kleine, biologisch bedingte Torschlußpanik mir zu, also gehts mir wohl doch nicht äußerst gut, allenfalls recht mittelprächtig, um nicht zu sagen: unoptimal, miserabel, relativ beschissen, andererseits klage ich merkwürdig selten über Corona, Weltlage, Überwachungsstaat, Systemcrash, Islamisierung, geh zudem nicht an Krücken, muß keinem Brotjob nachgehen, mich nicht mit VermieterInnen plagen, kann jeden Tag arbeiten …

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